Glücksspielvertrag am Ende – Private Wettanbieter sind legal!

, Februar 9, 2016

Europäischer Gerichtshof

Der Große Sitzungssaal des EuGH: Der Europäische Gerichtshof hat den deutschen Glücksspielstaatsvertrag endgültig für rechtswidrig erklärt! (Bildquelle: curia.europa.eu)

Seitdem der deutsche Glücksspielstaatsvertrag im Juli 2012 beschlossen wurde, ist das Gesetz von vielen Seiten kritisiert worden und musste vor Gericht zahlreiche Niederlagen hinnehmen. Nun gab es das nächste Urteil gegen den Glücksspielstaatsvertrag. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg fällte am 4. Februar 2016 sein Urteil in der Rechtssache Ince und dürfte damit das deutsche Sportwettengesetz wohl endgültig begraben haben.

Die Rechtssache Ince beschäftigt die deutschen Gerichte schon seit einigen Jahren. Im Allgäu wurde im Jahr 2012 die Sportwettenvermittlerin Sebat Ince unter dem Vorwurf, Glücksspiel ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde betrieben zu haben, von der Staatsanwaltschaft Kempten angeklagt. Damals hatte die Polizei im Oberallgäu Wettautomaten in einer Sportsbar entdeckt, die Einsätze an einen österreichischen Wettanbieter ohne deutsche Lizenz vermittelten. Gegen die Klage ging Ince anschließend selbst vor Gericht. Das Amtsgericht Sonthofen legte den Fall nach erster Instanz dem EuGH zur Entscheidung vor.

Gleichbehandlung, Diskriminierungsverbot und Transparenzgebot werden nicht erfüllt

Der Europäische Gerichtshof entschied nun, dass die Behörden die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten in Deutschland durch einen im EU-Ausland zugelassenen Anbieter nicht verbieten dürfen. Dies dürfe nicht verboten werden, solange das im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehene und in der Praxis bisher komplett gescheiterte Lizenzverfahren für Sportwetten den Grundsatz der Gleichbehandlung, das Diskriminierungsverbot und das Transparenzgebot nicht erfüllt. Daraus folgt im Umkehrschluss: Sportwetten in Deutschland dürfen bis auf weiteres ohne Erlaubnis veranstaltet, vermittelt und beworben werden, und das in Sportwettläden, an Automaten und im Internet.

Der EuGH führte in seiner Pressemitteilung aus:

“Der Gerichtshof stellt insoweit fest, dass die Experimentierklausel die Unvereinbarkeit des vormaligen Staatsmonopols mit dem freien Dienstleistungsverkehr nicht behoben hat, soweit die alte Regelung unter Berücksichtigung dessen, dass keine Konzessionen erteilt wurden und dass die staatlichen Veranstalter weiterhin Sportwetten veranstalten können, trotz des Inkrafttretens der Reform von 2012 in der Praxis weiter Bestand hat.“

Der Glücksspielstaatsvertrag hat das rechtswidrige Monopol fortgeführt

Was viele Experten bisher an dem Gesetzesentwurf aus dem Jahr 2012 immer bemängelt hatten, wurde nun durch den EuGH bestätigt: Die Teilliberalisierung des deutschen Sportwettenmarktes, bei der nur 20 Lizenzen vergeben werden sollten, hat die Unvereinbarkeit des vormaligen Staatsmonopols mit dem freien Dienstleistungsverkehr nicht behoben. Faktisch wurde das rechtswidrige staatliche Glücksspielmonopol weitergeführt.

Was bedeutet dieses Urteil nun? Die Behörden haben keinerlei Handhabe mehr gegen ausländische Wettanbieter mit EU-Lizenz. Sportwetten sind bis auf weiteres nun in nahezu jeder Form in Deutschland erlaubt und werden nicht bestraft. Die EU-Kommission wird als nächstes darüber entscheiden, ob wegen der missglückten Glücksspielgesetzgebung ein formelles Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet wird. Der Glücksspielstaatsvertrag muss auf jeden Fall überarbeitet werden und wird danach wohl nicht mehr wiederzuerkennen sein.

Schon im September 2010 geriet der Stein ins Rollen

Wieder einmal hat der EuGH den deutschen Glückspielmarkt für rechtswidrig erklärt. Mit dem Grundsatzurteil vom 8. September 2010 hatte der EuGH damals den Stein ins Rollen gebracht, und entschieden, dass das deutsche Wettmonopol der staatlichen Lotteriegesellschaften gegen das EU-Recht verstößt. Die erste Antwort auf dieses Urteil war der Glücksspielstaatsvertrag aus dem Jahr 2012 gewesen. Nun kam die zweite vernichtende Antwort und ein neues Gesetz wird dringend gebraucht.

Mathias Dahms, Präsident des Deutschen Sportwettenverbandes (DSWV) kommentierte das Urteil:

“Heute bewahrheitet sich erneut, dass der Glücksspielstaatsvertrag gegen europäisches Recht verstößt. Es reicht nun nicht mehr aus, wie in den vergangenen Jahren an gescheiterten Konzepten herumzudoktern. Es ist nun an der Zeit für eine grundlegende Reform der Glücksspielregulierung der Bundesländer.“

Für Georg Stecker, Vorstandssprecher des Dachverbands „Die Deutsche Automatenwirtschaft“ hat die Rechtsprechung Konsequenzen: „Das Urteil löst einen Domino-Effekt aus, der dazu führt, dass auch die anderen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages ins Wanken kommen und sogar gänzlich kippen werden.“