, 09.12.2017

Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel mit EU-Flaggen

Hat ab jetzt nichts mehr mit Glücksspielregulierung zu tun: Die Kommission in Brüssel. (Bild: zdf.de)

 

Die Europäische Kommission hat das anstehende Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland gestoppt. Dieses war 2015 als Pilotverfahren auf den Weg gebracht worden und hatte die deutsche Glücksspielregulierung zum Thema. Diese beinhaltet unter anderem die Vergabe einer begrenzten Anzahl an Lizenzen für private Sportwettenanbieter.

 

Nicht nur das Verfahren gegen die Bundesrepublik wurde eingestellt, auch Verfahren gegen diverse andere EU-Mitgliedsstaaten werden nicht weiterverfolgt. Insgesamt 130 Verfahren aus verschiedensten Geschäftszweigen stoppt die Kommission, einer davon ist die Glücksspielregulierung in der EU. Grund dafür sei eine Umorientierung und das Setzen anderer politischer Prioritäten. Dies teilte die Kommission vorgestern, am 7. Dezember 2017, in einer Pressemitteilung mit.

 

Scharfe Kritik von allen Seiten

Die Entscheidung der Europäischen Kommission ist ein regelrechter Schock für viele Glücksspielbetriebe, Institutionen und Verbände in Deutschland und ganz Europa, darunter auch die Remote Gambling Association (RGA). Die Entscheidung der Beamten sei „hochgradig fragwürdig“ und unterstütze eine glücksspielfeindliche, restriktive, unfaire und unrechtmäßige Gesetzeslage in vielen Mitgliedsstaaten.

 

Auch die European Gaming and Betting Association (EGBA) veröffentlichte ein Statement, in dem sie die Nachrichten aus Brüssel zur Kenntnis nimmt. Der Verband gibt zahlreiche Gründe dafür, warum die Verfahrenseinstellung nicht zielführend sei:

„Die Kommissionsentscheidung steht im Widerspruch zu den von der EU selbst gesetzten politischen Prioritäten, insbesondere dem EU-Programm für den Digitalen Binnenmarkt. Schließlich ist sie unvereinbar mit den konzentrierten Anstrengungen zur Verbesserung der Verbrauchersicherheit sowie zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Spielmanipulation […].“

Die EGBA erinnert außerdem an die zahlreichen Gesetzesverstöße und Problematiken, die dem deutschen Glücksspielrecht anhaften. Dazu zählen unter anderem das staatliche Monopol für Sportwetten und die anschließende Experimentierphase mit einer begrenzten Zulassung einzelner Anbieter.

 

Erschwerend kommt hinzu, dass Deutschland trotz der Entscheidung von vor fünf Jahren immer noch keine Konzessionen vergeben hat, was eine extreme Verzögerung darstellt, vor allem angesichts der Tatsache, dass die Experimentierphase 2019 endet. Auch die Anpassungen aus diesem Jahr verfehlen aus Sicht der Kommission ihr Ziel und müssen in den Bereichen Spieler- und Jugendschutz, Integrität und Schwarzmarktbekämpfung als gescheitert angesehen werden. Dazu heißt es:

„Die Lenkung des Glücksspiels in geordnete und überwachte Bahnen muss bei einem Marktanteil von 30 % nicht regulierter Glücksspiele als gescheitert betrachtet werden.“

Brüssel stellt illegalen Anbietern Freifahrtschein aus

Generalsekretär der EGBA Maarten Haijer äußerte ebenfalls seine Enttäuschung über die Resignation der EU. Mit einer solchen Entscheidung sei niemandem geholfen und man schneide sich ins eigene Fleisch, indem man unregulierten Anbietern außerhalb der EU Tür und Tor öffne:

„Die heutige Entscheidung der Kommission fördert Glücksspielanbieter aus Drittstaaten, die ihre Produkte unreguliert in der EU anbieten zu Lasten in der EU lizenzierter und regulierter Anbieter. Die Entscheidung der Kommission ist kein Präjudiz für die Rechtslage in Deutschland. Nationale Gerichte als auch der EuGH werden wieder verstärkt mit Glücksspielfällen konfrontiert sein. Es ist davon auszugehen, dass sich nationale Gerichte nun wieder verstärkt an den EuGH wenden.“

Als positive Beispiele nannte Haijer Dänemark und Italien, die beide eine funktionierende Regulierung für ihre nationalen Märkte auf die Beine gestellt haben.

 

Deutscher Sportwettenverband ebenfalls enttäuscht

Der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) hatte auf seiner Webseite als einer der ersten über die Neuigkeiten berichtet und klar dazu Stellung bezogen:

„Die Kommission missachtet ihren Auftrag als Hüterin der Verträge und damit der Grundfreiheiten in Europa. Wir halten es für äußerst bedenklich, dass das Verfahren unter falschen Prämissen eingestellt wird. Brüssel geht offensichtlich davon aus, dass sich die Rechtslage in Deutschland ab 2018 ändert.“

DSWV-Präsident Mathias Dahms nennt das Verhalten der Kommission „kurzsichtig“. Schließlich blieben die Probleme der Vereinbarkeit deutscher Gesetze mit Europarecht weiterhin bestehen. Brüssel weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass betroffenen Unternehmen und Betrieben nach wie vor der Rechtsweg zur Konformitätskontrolle des Gesetzes offenstehe. Dieser führt dann schlussendlich über den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.

 

Rechtslage in Deutschland bleibt chaotisch

Der Gegenstand des Verfahrens in Deutschland, der Glücksspielstaatsvertrag bzw. sein Nachfolger, der 2. Glücksspieländerungsstaatsvertrag aus diesem März, stehen seit jeher in der Kritik. Die Länder halten vehement an ihrem Regulierungsunwillen fest und verweigern sich einer umfassenden Lizenzierung für Online Glücksspiel.

Ministerpräsident Daniel Günther von der CDU

Im Alleingang: Ministerpräsident Daniel Günther aus Schleswig-Holstein (Bild: welt.de)

Zwar wurde zumindest eine Öffnung des Marktes für Online Sportwetten durchgesetzt, doch hier gab vor allem die limitierte Zulassungszahl Grund zu unionsrechtlicher Sorge.

 

Mit dem Nein aus Schleswig-Holstein und dem Nachfolgen NRWs, ist der 2. Glücksspieländerungsstaatsvertrag de facto gescheitert.

 

Ursprünglich sollte er am 1. Januar 2018 in Kraft treten. Dies kann er jedoch nur mit der Ratifizierung durch alle 16 Bundesländer. Aber nicht nur die Länder äußerten bereits Zweifel an den Plänen der Politik. Auch deutsche Gerichte und besonders Sportwettenanbieter im Land forderten schon eine Neuordnung des Marktes für Sportwetten.

 

Dies könne, in der rechtssicheren Variante, jedoch nur über einen neuen Glücksspielstaatsvertrag erreicht werden, der sich an der Realität orientiere und eine echte Eindämmung des Schwarzmarktes anstrebe.

 

Stopp bedeutet noch lange keine Rechtssicherheit

Die Kommission wies ausdrücklich darauf hin, dass die Aussetzung der Verfahren nicht bedeute, dass die beanstandeten Sachverhalte mit EU-Recht vereinbar seien. Sie betonte in aller Deutlichkeit, dass man kein „Durchwinken“ beabsichtige, sondern alle Mitgliedstaaten auch weiterhin bei der Modernisierung ihrer Glücksspielgesetzgebung unterstützen wolle.

 

Außerdem wolle sie auch weiterhin „weitreichende Probleme bei der Durchsetzung aufzeigen“. Wie ernstzunehmend diese Ankündigung angesichts der leichtfertigen Aussetzung aller Ermittlungen noch ist, bleibt abzuwarten.