, April 6, 2017

Das Bild zeigt die EU-Flagge.

Die EU ist nicht zufrieden mit Deutschlands Reformvorhaben zur Glücksspielgesetzgebung. (Bildquelle)

Nachdem die Ministerpräsidenten der Länder sich Mitte März auf eine Reform des deutschen Glücksspielstaatsvertrages geeinigt hatten, ist nun ein offenbar vertrauliches Schreiben der EU-Kommission aus Brüssel zu diesem Thema aufgetaucht. In dem Schriftstück an die deutschen Behörden kritisiert die EU neben den diskriminierenden Lizenzvergabeplänen auch die fehlende Erklärung für ein Verbot von Online Casinos und die darin begründete Inkonsequenz im Vergleich zu den beispielsweise erlaubten Automatenspielen. Im Rahmen des 2. Glücksspieländerungsstaatsvertrages war vor wenigen Wochen die Aufhebung der Konzessionsbegrenzung von 20 Lizenzen für Sportwettenanbieter als eine der wichtigsten Neuerungen beschlossen worden. Im Januar 2018 sollen jetzt stattdessen 35 Anbieter eine vorläufige Lizenz erhalten, bevor ein Jahr später eine zweite Bewerberrunde geplant ist.

 

Politik wird eines Besseren belehrt

Das Bild zeigt Reiner Haseloff.

Reiner Haseloff ist Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt. (Bildquelle)

Entgegen der Behauptungen des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff von der CDU, dass die EU nun keine grundsätzlichen Einwände mehr gegen die deutsche Gesetzesreform habe, spricht das Brüsseler Schreiben eine andere Sprache. Haseloff, der noch vor wenigen Wochen von abschließenden Regelungen und Klarheit für die deutsche Glücksspielbranche sprach, muss seine Aussagen wohl revidieren. Die Themen Online Casinos und Sportwetten in Deutschland sind der EU bereits seit längerem ein Dorn im Auge. Anfang März hatte sich die Kommission schon einmal hinsichtlich dieser Problematiken geäußert. Die Ministerpräsidentenkonferenz konnte es demnach offensichtlich auch diesmal nicht schaffen, alle Einwände und Bedenken der Beamten zu zerstreuen.

 

Marktzugangshindernis Lizenzvergabe könnte durch Schnellverfahren eliminiert werden

Die Kritik der EU bezieht sich vor allem auf die geplante Vergabe von 35 vorläufigen Lizenzen an ausgewählte Sportwettenanbieter zu Beginn des nächsten Jahres. Eine weitere Bewerberrunde und anschließende Vergabephase würde anderen Interessenten einen zeitlichen Nachteil von rund einem Jahr verschaffen. Dadurch benachteilige man die übrigen Akteure auf dem Markt und konfrontiere sie mit einem sogenannten Marktzugangshindernis, das sie weiter in den Schwarzmarkt drängen könnte. Diese Praxis ist im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Kapitel 3 Artikel 34 geregelt:

„Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten.“

Damit würde die deutsche Konzessionsbeschränkung gegen EU-Recht verstoßen, speziell auch gegen die grundrechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit  innerhalb der EU. Diese Punkte machen einen Stopp des von der Kommission angestrebten Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland unwahrscheinlich. Erste Stimmen wurden bereits laut, die in Aussicht stellten, dass es in Deutschland noch dieses Jahr ein vereinfachtes und verkürztes Zulassungsverfahren geben könnte, das für alle Interessenten greife.

 

Das sind die Kritikpunkte

Eine argumentative Begründung für das Verbot von Online Casinos und Online Poker in Deutschland stehe laut der Brüsseler Beamten immer noch aus. Besonders unnachvollziehbar erscheine dieses Verbot angesichts der Zulassung von Spielautomaten und einer begrenzten Zahl von Sportwettenangeboten. Die bereits erwähnte Lizenzvergabe  und damit verbundene Benachteiligung von Bewerbern genügt ebenfalls nicht den strengen Regelungen aus Brüssel. Weitere Kritikpunkte beziehen sich auf:

 

  • Den Bedarf einer Evaluierung von Entwicklungen und etwaigen Erfolgen in den Bereichen Spielsuchtprävention und Spielerschutz
  • Die Reduzierung der Gültigkeitsdauer der Lizenzen von sieben auf dreieinhalb Jahre

 

Neben diesen fachspezifischen und wirtschaftlichen Einwänden konnte die EU-Kommission auch Fehler ausmachen, die Experten wie dem Glücksspielrechtler Christian Alexander Mayer aus München Kopfzerbrechen bereiten:

 „Es ist hochnotpeinlich, dass die Kommission sogar handwerkliche Fehler aufzeigt.“

Gemeint ist beispielsweise der Übergang der Zuständigkeit für die Lizenzvergabe von Hessen auf Nordrhein-Westfalen, der in dem Gesetzesentwurf offenbar unberücksichtigt bleibt. Einen schwachen Trost für betroffene Glücksspielunternehmer konnte Christian Mayer dennoch finden:

„Immerhin können Sportwettenanbieter das Schreiben der EU-Kommission als weiteres Argumentationsmittel bei Gerichtsverhandlungen nutzen.“

Schwarzmarkt könnte aufblühen

Luka Andric, Geschäftsführer des Deutschen Sportwettenverbandes, sieht ohne Änderungen des Vertrages ehrliche Betreiber gegängelt und dem Schwarzmarkt Tür und Tor geöffnet:

„Wir befürchten, dass die Behörden ab dem 1. Januar 2018 bei den Lizenznehmern alles bis aufs kleinste Detail kontrollieren, gegen die illegalen Anbieter mit Sitz in der Karibik aber nichts unternommen wird. Letztendlich müssen der kürzlich beschlossenen Reform weitere Veränderungen folgen.“

Aus diesem Grund hat sich der Deutsche Sportwettenverband in Zusammenarbeit mit dem Deutsche Online Casinoverband an die EU gerichtet und diese zu einem Einschreiten gedrängt. In der Stellungnahme der beiden Verbände wird vor allem auf den mangelnden Anreiz zur legalen Tätigkeit in Deutschland hingewiesen. Grund dafür seien auch die strengen Vorgaben, die an eine zukünftige deutsche Lizenz geknüpft sein sollen. Dazu gehören beispielweise die Regeln zur Kundenkontrolle durch Authentifizierungsprozesse, ein monatliches Einsatzlimit für Spieler und das mögliche Verbot von Live-Wetten.

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